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Als sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts im schweizerischen Musikschaffen eine nationalbewusste Strömung abzuzeichnen begann, war es in erster Linie das Verdienst des Zürcher Komponisten, Musikerziehers und Verlegers Hans Georg Nägeli (1773 Wetzikon 1836 Zürich), mit seinem 1805 gegründeten «Zürcherischen Singinstitut» die Grundlagen jener helvetischen Chorkultur geschaffen zu haben, welche schon bald die Trägerin einer eigentlichen schweizerischen Nationalromantik werden sollte. Ihr ging im Schaffen von Xaver Schnyder von Wartensee (1786 Luzern 1868 Frankfurt am Main), einem seit 1811 mit Nägeli befreundeten und von ihm geförderten Angehörigen einer luzernischen Patrizierfamilie von hohem Ansehen, eine kurze Periode der Klassik voraus, die in unserem Land nicht nur mit Verspätung einsetzte, sondern auch durch ihren Mangel an profilierten Werken kaum bis in unsere Zeit reichende Spuren hinterliess. | ||||||||||||
Ohne grössere Nachwirkung blieb auch das der Frühromantik verpflichtete Lebenswerk von Friedrich Theodor Fröhlich (1803 Brugg 1836 Aarau), das vom Geist Felix Mendelssohn Bartholdys erfüllte Klavierstücke wie die 6 Elegien op. 15 und ebenso wertvolle Chor- und Klavierlieder enthält und immer noch seiner Wiederentdeckung harrt. Zur weiteren Entfaltung gelangte die musikalische Romantik in der Schweiz, die zwischendurch mehr in virtuosen Klavierparaphrasen über Kuhreihen und Hirtenlieder von ausländischen Musikern wie Carl Czerny, Franz Liszt und Ignaz Moscheles zum Ausdruck kam als in landeseigenen Kompositionen, erst mit der Übersiedlung namhafter Komponisten aus Deutschland in die Region Zürich. Den grössten Einfluss auf die Entwicklung romantischer Strömungen in der Schweiz übten Fürchtegott Theodor Kirchner (1823 Neukirchen bei Chemnitz 1903 Hamburg) und Hermann Goetz (1840 Königsberg 1876 Zürich) dadurch aus, dass sie als Pianisten mit den Werken ihrer Vorbilder Mendelssohn Bartholdy, Schumann und Brahms bekannt machten und den wichtigsten Gegenpol zu Richard Wagner und der von ihm und von Liszt ausgehenden «Neudeutschen Schule» markierten. An der deutschen Hochromantik orientierten sich auch der bis vor wenigen Jahren vergessene Mendelssohn-Schüler Johann Carl Eschmann (1826 Winterthur 1882 Zürich) und der als Sohn eines Deutschen und einer Schweizerin geborene Sinfoniker Joseph Joachim Raff (1822 Lachen am Obersee 1882 Frankfurt am Main), der seine künstlerische Laufbahn in Deutschland mit Empfehlungsschreiben von Mendelssohn Bartholdy und dessen Antipoden Franz Liszt begonnen hatte, bevor er sich in Weimar, Wiesbaden und Frankfurt einen Namen schuf. |
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Dieser gleichsam «klassischen» Linie mit ihrer engen Bindung an die Instrumentalmusik, wie sie wenig später Paul Juon (1872 Moskau 1940 Vevey) mit sehr viel Kammermusik fortsetzte, steht in der Entwicklung der schweizerischen Romantik eine auf der Mundart basierende, nicht selten ausgesprochen folkloristisch gefärbte zweite Linie gegenüber. Sie widerspiegelt sich am deutlichsten in einer erstaunlichen Vielzahl klavierbegleiteter Lieder, die bis zur Zeit der Schweizerischen Landesausstellung 1939 - der politisch untermauerte «Heimatstil» erstreckte sich damals auch auf die Musik unseres um Abschottung bemühten Landes - auf den Konzertpodien und selbst an den jährlichen Festkonzerten des Schweizerischen Tonkünstlervereins beständiges Gastrecht genossen. Ihr weit zurückreichender Weg begann in den 1828 entstandenen «Drei Aargauer Liebesliedern» auf Mundarttexte Wilhelm Wackernagels von Theodor Fröhlich und erfuhr in den «Drei Kinderliedern in Schweizer Mundart» (J. M. Usteri) op.5 von Hermann Goetz im Jahre 1869 einen ersten Höhepunkt. |
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Den bedeutendsten Aufschwung nahm diese spezifisch schweizerische Richtung, zu der im 19. Jahrhundert auch Xaver Schnyder von Wartensee mit seinen «Zwei Schweizerliedern» aus der Operette «Heimweh und Heimkehr» (Pfyffer zu Neuek) beigetragen hatte, jedoch erst kurz nach 1900, als zusammen mit unbegleiteten Chorwerken eine wahre Flut von klavierbegleiteten Liedern einsetzte und Othmar Schoeck im Ausland als Nachfahre Hugo Wolfs angesehen und zeitweise mehr geschätzt wurde als in seiner schweizerischen Heimat. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die volkstümlichen Dichtungen von Adolf Frey, Sophie Haemmerli-Marti, Meinrad Lienert und Josef Reinhart, wovon vor allem Vertonungen von Volkmar Andreae, Carl Attenhofer, Richard Flury, E. A. Hoffmann, Hans Jelmoli, Walter Lang, Friedrich Niggli, Heinrich Pestalozzi, Walter Schulthess und Werner Wehrli zeugen. Wieviel an sprachlich-musikalischen Kostbarkeiten innerhalb der zahlreichen Mundartlieder aus dem frühen 20. Jahrhundert bislang verborgen blieb, vermag die vorliegende Ersteinspielung ausgewählter Musterbeispiele von so verschiedenen Komponisten wie Hans Jelmoli und Friedrich Niggli vielversprechend anzudeuten. Hatten schon die Luzerner Musiker Franz Josef Leonti Meyer von Schauensee (17201789) mit geistlichen Werken sowie der Opera buffa «Die Engelbergische Talhochzeit» und Joseph Franz Xaver Dominik Stalder (17251765) mit seinen «Six Simphonies (sic!) à quattre parties» zur Ausprägung der Klassik in der Schweiz beigetragen, so war es Xaver Schnyder von Wartensee vorbehalten, jener Richtung zum späten Durchbruch zu verhelfen. |
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